Wunschzettel Gottes

(Predigt von Marc Diez-Prida, geschrieben am 10. und gehalten am 16.12.2017 in der Adventgemeinde Konstanz sowie am 01.12.2018 in der Adventgemeinde Singen)

[Aus aktuellem Anlass, Gott in den Mund gelegt: Gottes Wunschzettel]


Was ich mir wünsche:

Keine Smartphones, keine iPads, keine Handys, keine Technik, keine Lego-Technik, keine Puppen, keine Rosen, keine Hosen, keine Krawatten, keine Krawalle, keine Weine, keine Reime.

Keine Reisen, keine politisch korrekt angebauten Speisen, kein Weihnachtsschmaus, nicht das 5-Gänge-Menü zu Weihnachten, was unter Schweiß und Tränen zubereitet wird, auch nicht in bio oder öko, kein vegetarisch, kein vegan, sondern dass Du das, was Du hast, Dein Brot mit denen teilst, die keines haben.

Keine Wunschzettel – auch nicht diesen –, keine Zettelwirtschaft, in der Ihr Euch verzettelt, kein Last-Minute, kein Kaufrausch, kein Rausch und kein Stress und kein (groß-)familiärer Lagerkoller.

Keine Mode, keine Modeerscheinung, kein Früher-war-alles-Besser, kein Morgen-Werden-Wir-Alle-Guter, keine Un- und keine Achtsamkeiten, keine Digitalisierung und andere Welterlösungsphantasieversprechen, digital wenn, dann nur im Sinne von „Ja“ oder „Nein“ zu mir.

Keine neuen, ach so vielen Möglichkeiten, sondern dass Du die Möglichkeiten, die Freiheiten nutzt, die Du schon seit Anbeginn bekommen hast, die ich Dir geschenkt habe als Talente, als Befähigungen, als Brücke, als Angebote, mich kennenzulernen. Keine Frage der Form, der Strategie, der Technik, sondern eine Frage des Wünschens und Wollens.

Keine zuschauenden Likes, die Dich nichts kosten, keine zur Schau gestellten Werke – alles fürs Feuer.

Keine Sabbate und Sonntage ohne mich, sondern Augenblicke mit mir.
Keine Hochglanzbroschüren Deiner Tadellosigkeit, sondern lieber zerknitterte Worte oder Schweigsamkeiten, Taten oder Untaten Deiner Echtheit. Keine falschen Fromme, lieber echte Sünder.

Keine Perfekten, keine Potenten, keine Prälaten, keine Proleten, keine Glaubensproleten, Achtsamkeitspropheten, keine misanthropische Untergangspropheten.

Keine Aktionisten, keine Aktivisten, keine Weltverbesserer, keine Ersatzreligiösen, keine Ideologen, keine -ismen, keine X-Mas, keine Christmett, keine Politisch-Korrekten, nicht die große Politik, nicht die große Bühne, aber gerne das Kleine, Stille, Echte. Nicht Dergleichen als Marketingbotschaft verkauft und inszeniert, keine Werte-Heimat-Achtsamkeitswerbung zwecks Herzens- und Geldbeutelöffnung, nix verkaufen, nix dafür bezahlt haben wollend; aber viel schenken, viel geben wollen, mich Dir schenken wollend, bereits verschenkt habend, wenn Du es nur wolltest.

Myrrhe, Weihrauch, Gold, alles nice to have, aber das wünsche ich mir nicht. Ich wünsche mir, was man nicht online via amazon bestellen könnte, nichts auf Lager, nichts Bestelltes, nichts Geliefertes, nichts, was kurz vor knapp noch mittels Gutschein wohlfeile Pflichterfüllung wäre.

Ich wünsche mir, dass Du Dich nicht schämst, noch „frohe“ und „gesegnete“ Weihnachtstage zu wünschen, statt nur „frohes Fest“, dass Du Dich auch im Alltag zu mir bekennst als mein Nachfolger und an mich und mir Glaubender, statt den Heilsversprechen von Selbsterlösern oder Konsumankurblern.

Wünsche mir, dass Du Dich genauso auf mein Zweites Kommen freust – ja es kaum erwarten kannst –, wie das Auspacken der Geschenke, Aufreißen von Geschenkpapier und in Anspruch nehmen all der guten Gaben.

Wünsche mir keine Kerzen zum Advent, keine Lichterketten am Weihnachtsbaum, wünsche mir, dass Du Licht bist auf Erden zwischen meinem Ersten und Zweiten Advent, solange es noch dauert, solange Du noch kannst, solange es noch Menschen gibt, die sich nach Licht, nach Zuspruch, nach Annahme sehnen.

Wünsche mir, was ich meine Engel beauftragt hatte, Dir zu singen: „Frieden auf Erden“ und „ich als Dein Wohlgefallen“, dass sie Gefallen an mir hätten, nicht nur an meinen Wohltaten, nicht nur an Weihnachten, nicht nur als nett anzusehendes Kind; dass es ihnen gefiele, mich aufzunehmen in ihrer Mitte, in ihrer Herberge, sich auf mich, mein Reden und Tun einzulassen, dass es ihnen gefiele, sich auf ihre Gegenwart in meiner zu freuen.

Was ich mir wünsche, für Dich wünsche, ist solch Friede, nicht kitschige Friedensstille, nicht Grabesruhe, kein Waffenstillstand, keine frostige Stille des Anschweigens in Euren Heimen, sondern Frieden in Deinem Herzen, in Deiner Seele. Friede mit Dir selbst, befriedetes Ego, Frieden, der Raum gibt für Frieden in Deiner Familie, in Deinem Umfeld.

Was ich mir wünsche, ist, sehnlich bei Dir zu sein, mit Dir zu sein in Deinen Freuden, Deinen Nöten und Sorgen des Alltags. Dein Ansprechpartner zu sein, Dein Compagnon, Dein Komplize – natürlich nur im Guten ;-) –, dass wir Pläne schmieden, Du und ich.

Was ich mir wünsche, ist nicht die Stille der Straße an Weihnachten wie an einem WM-Finale mit deutscher Beteiligung, sondern Deine Stille, Deine Widmung, Deine Andacht, Deine innere Ruhe, auch Leere, damit ich zu Dir sprechen kann.
Nicht das einstudierte Lied im Chore, nicht das Himmelhochjauchzen, sondern Dein (all-)tägliches Lied auf Deinen Lippen, unter der Dusche, auf Deinen Wegen, am Steuer, mich zu erfreuen, so wie es der Amsel und ihresgleichen täglich Anliegen ist.

Was ich mir wünsche, ist nicht der festlich geschmückte Baum zur Weihnacht, ist auch nicht die Debatte über Tannen-, Nadel-, Weihnachtsbäume, Kerzen, Kugeln, Kalorien, Süßig- oder Veganigkeiten,

sondern dass Du auf die Maulbeerbäume des Alltags kletterst wie mein Freund Zachäus, um nach mir Ausschau zu halten.

Wo ich bliebe.

Aber vielleicht vermisst Du mich ja gar nicht, vielleicht bist Du ja schon zu voll, zu dicht, zu beschäftigt, hast schon alles, brauchst nichts mehr, bin ich Dir zu teuer.
Was ich mir wünsche ist nicht das Neue, nicht das Teure, eher die Reue.

Ich, ewig, nicht ewig-gestrig, und so ist es Deine Neugierde, die ich mir wünsche, Neugierde auf mich, darauf, was ich Dir sagen, zeigen, erklären, schweigen möchte, Dich entdecken lassen möchte, auch nach 6000, auch nach 2000, auch nach 100, 50, 30, 10 Jahren. Nicht der Klatsch, nicht der Tratsch, nicht die Verschwörung, nicht die Theorie, sondern das Leben, das echte.

Wann, wann hast Du mich zuletzt gefragt, wie es mir geht? Mir mit Dir geht? Ob ich mir Derartiges wünschen darf?

Nicht das Luxuriöse, sondern das Wenige, das Einzige, und in diesem Sinne Exklusive und eben drum das doch Wesentliche.

Keine leeren Versprechen, keine rosaroten Schleifen, keine rosarote Brille, keine salbungsvollen Worte und Gedichte. Kein Verpackungspapier in Herzform, sondern das Herz selbst, ganz gleich, ob voll oder leer, ganz gleich, ob kalt oder warm, Dein Herz.

Nicht mehr und nicht weniger.

Was ich mir wünsche, ist nichts, was ich Dir nicht zuvor schon geschenkt hätte:
Dein Herz.

Ein Herz, das sich investiert, das sich bereitet und weitet. Keine Mystiker – „man müsste, man sollte“ –, keine Kritiker – die ewigen, die leidigen (statt leidenden) –, sondern sich investierende Täter des Wortes, keine Echokammern, sondern Echos meiner Liebe.

Keine Redner, keine Sprecher, keine Wissenden, keine Fertigen, keine Angekommenen, sondern Suchende, Sehnende, Sündige, Umkehrende, Unterwegsseiende, auf dem Weg sich Befindende, auf dem Weg zu mir – wie die drei Weisen aus der Fremde, dem Morgenland – Ahnende, Suchende, Sehnende –, mich Suchende und mit meines Sternes Hilfe mich Findende.

Was ich mir wünsche ist – endlich – mein Zweiter Advent, der Dir, Mensch, eine zweite Chance schenkt des Zusammenseins bei mir. Nicht als das furchtsame „Ende aller Dinge“ [vgl. Jürgen Moltmann: „Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie“], sondern als der freudige Neuanfang der Geschichte, wie sie einst gemeint war, der Geschichte zwischen mir und Dir.

Also worauf wartest, Du noch?

Mach Dich auf und werde Licht!

Ich – für meinen Teil – bin bereits auf dem Weg zu Dir …

Frohe, gesegnete und segensreiche Weihnachten!

Jesaja 60,1-5a.19.20

 

 

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